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Teil 2: Yeti, Bigfoot und die...

Es geht mir schlecht.
In meinem Kopf spielen der Yeti und Bigfoot mit meinem Hirn Fußball; jedes einzelne Haar schmerzt, dass ich die Wände hochgehen könnte, würde mir mein Magen nicht einen Strich durch die Rechnung machen, und das Gesicht, das mich aus dem Spiegel heraus anstarrt hat eine verdammte Ähnlichkeit mit Udo Lindenberg auf LSD. Aber ich will nicht klagen, an der gestrigen Sauforgie zu Ehren meines Sohnes bin ich selbst Schuld, oder vielmehr meine Kumpels, die mit reichlich Bier, gutem Whisky und noch besseren Zigarren vor der Tür standen. Da ich von jeher ein Mann bin, der nicht NEIN sagen kann, schon gar nicht zu Whisky und Zigarren, hab ich die Meute kurzerhand eingelassen. Was für ein Fehler! Gegen den Kater, der heute morgen auf meinem Rücken hockt, wirkt Gozilla wie der kleine Bruder der Bartagame im Terrarium des Cousins meiner Freundin. Und der schale Geruch, der sich im zugegebenermaßen recht großen Wohnzimmer breit macht, erinnert ein wenig... nein, sogar ziemlich deutlich an die hinterletzte Dorfkneipe.
Durch mein dunstschwangeres Hirn dröhnt dumpf ein Nebelhorn und versucht mich auf irgendetwas hinzuweisen. Aber worauf verdammt nochmal? Dass ich alles unternehmen muss, um diesen widerwärtigen Gestank aus der Wohnung zu bekommen? Dass ich mir heute besser nicht die Zähne putze, um zu verhindern, dass mir das gestrige Gelage nochmals durch den Kopf geht? Darauf, dass ich das Schlachtfeld im Wohnzimmer aufräumen muss? Mist, ich habe keinen blassen Schimmer. Vielleicht bitte ich einfach meine Freundin, mir beim Aufräumen... zu... helfen...
Peng!
Zu dem dumpfen Nebelhorn gesellt sich sich urplötzlich ein Suchscheinwerfer, der auch die hinterletzte Ecke meines Verstandes ausleuchtet.
Meine Freundin, mein Sohn, Krankenhaus. BESUCHSZEIT!
Ich schlage mir mit Schwung die flache Hand an den Kopf und bereue das sofort, denn mein Hirn scheint in meinem Kopf herum zu wackeln wie Götterspeise.
Genau, heute ist ja Sonntag. Nicht dass das einen Unterschied macht. Ich habe auch an den vergangenen Tagen meine Freundin und meinen Sohn besucht. Das Augusta-Krankenhaus in Bochum hat den großen Vorteil, dass die Jungväter (klingt gut in den Ohren eines 35jährigen, das kann ich Ihnen sagen) jederzeit und so lange sie möchten ihre Frauen und Kinder besuchen können. Selbstredend auch am Sonntag.
Vorsichtig versuche ich meine Uhr zu fokussieren. Halb elf. Okay, ich bin zwar ein wenig später dran als sonst, aber noch liege ich im Rahmen. Jetzt heißt es Tempo machen. Aber haben Sie schon mal versucht sich zu duschen und zu rasieren, sich einen Kaffee zu kochen und dann so auszusehen, als wären Sie gestern nach einem ultragesunden Salat und einer Flasche Wasser zum Abendessen zeitig ins Bett gegangen und das alles während ihnen Bigfoot und der Yeti gleichzeitig auf dem Rücken hocken, lustige Anekdoten über zuviel Schnaps und zu viele Zigarren in ihre Ohren brüllen und dabei ihre riesigen Hände unablässig auf Ihren Kopf hämmern? Gut, jetzt da ich das schreibe, glaube ich wohl eher nicht, aber genauso geht es mir. Viel schlimmer, ich sehe auch so aus. Trotzdem schmiede ich mir ein schiefes Lächeln ins Gesicht, setze mich ins Auto und fahre los. Unterwegs danke ich... wem auch immer dafür, dass heute Sonntag ist. Sonntags finden im Krankenhaus keine Untersuchungen statt, weder vom Kinderarzt noch vom Frauenarzt. Sonntags werden keine Patienten entlassen, weil niemand die Papiere fertig machen kann. Und das garantiert mir, dass ich heute Abend mehr als genug Zeit habe, die Wohnung wieder in etwas zu verwandeln, in dem man sich wohl fühlt und gerne seine Kinder aufwachsen sieht. Mal davon abgesehen wäre es aus medizinischer Sicht ja auch unverantwortlich, meine Freundin jetzt schon zu entlassen. Ein oder zwei Tage sollte sie noch unter ärztlicher Aufsicht bleiben. Das dürfte reichen, um genügend frische Luft ins Wohnzimmer zu pumpen.
Als ich die Entbindungsstation betrete fällt mir nichts besonderes auf. Okay, heute ist hier mehr los, aber wahrscheinlich haben die jungen Mütter mehr Besuch als sonst. An der Tür zum Zimmer 11 hängt kein „Hier wird gestillt“- Schild, also klopfe ich und trete ein. Niemand da. Meine Freundin ist weg und das kleine Kinderbett auch. Einsam und verlassen steht das frisch gemachte Patientenbett am Fenster. Einsam und verlassen. Und so leer. So leer und einladend. Fast kann ich das Kissen rufen hören: „Komm her und ruhe dich aus. Leg dich hin und schlaaaaaaf.“ Wie in Trance bewegen sich meine Beine vorwärts. Ich weiß, was Sie jetzt denken und Sie haben Recht. Aber ich bitte Sie, ich bin erst seit vier Tagen Vater und habe zudem noch einen Kater, der so groß ist, dass er höchstwahrscheinlich von Siegfried und Roy aufgezogen wurde. Von Rabenvater kann da wohl keine Rede sein, auch wenn meine ersten Gedanken nicht meinen beiden liebsten Menschen gelten, sondern diesem wunderbaren Bett.
Nur noch wenige Zentimeter trennen mich von den wundervoll gemütlichen Laken, als die Tür hinter mir auffliegt. Mit einer Bewegung, die bei einem 85jährigen als flüssig durchgegangen wäre, drehe ich mich um und sehe meine Freundin im Türrahmen stehen. Freudestrahlend eilt sie mir entgegen und spricht die fünf verhängnisvollsten Worte, die ich je gehört habe: „Schatz, wir dürfen nach Hause.“
BUMM!
Ich kann nur raten, aber so wie jetzt sehe ich aus, wenn der Arzt sich die Gummihandschuhe anzieht und zu mir sagt: „Es tut nur ganz kurz weh.“ Meine neuen Freunde Bigfoot und Yeti halten sich ihre haarigen Bäuche vor Lachen und brüllen im Gleichklang: „Du hast ein Prooooobleeeeem.“
Ein Problem? Jungs, ich habe kein Problem. Ein Problem hatten die Einwohner von Kobe 1995 beim großen Hanshin-Awaji Erdbeben. Ich habe die Wahl zwischen Selbstmord und Verbannung nach Sibirien. Das würde ich kaum als Problem bezeichnen. Um es auf gut deutsch zu sagen: Ich stecke in der Scheiße. Und zwar so tief, dass meine kurz geschnittenen Haare maximal einen Millimeter oben raus gucken.
„Äh, ja, aber wieso?“ stammele ich.
Freust Du Dich nicht?“ Meine Freundin sieht leicht enttäuscht aus. Dann schaut sie mich genauer an und sofort wechselt die enttäuschte Mine mit der besorgten den Platz. „Geht´s Dir nicht gut? Du bist so blass und hast Augenringe.“ Würde es mir nicht so schlecht gehen und das aus zweierlei Gründen, könnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen. Augenringe, klar doch, wahrscheinlich hab ich Tränensäcke, die so groß sind wie Satteltaschen. Nein, nein“, antworte ich leise. „Alles okay, ich hab nur unruhig geschlafen. Wieso dürft ihr denn schon nach Hause? Muss Constantin nicht noch zur zweiten Untersuchung beim Kinderarzt? Und Du musst doch auch noch zum Frauenarzt. Ja, haben wir alles schon hinter uns. Die Ärzte waren heute morgen da und haben bei allen die Untersuchungen gemacht. Wahrscheinlich brauchen die hier die Betten. Tja, auf jeden Fall dürfen wir jetzt gehen.“ Breit grinsend schwenkt meine Freundin die Entlassungspapiere. Jetzt erklärt sich auch die hektische Betriebsamkeit auf den Gängen. Wahrscheinlich erwartet das Augusta einen neuen Schwung an Gebärenden. Verdammte Fußball-WM. Deutschland im Fußball- und Liebestaumel und ich muss darunter leiden, dass jetzt alle so genannten WM-Babys gleichzeitig zur Welt kommen. Und unsere Wohnung sieht aus wie eine Kneipe nach einer Polizeirazzia und riecht noch viel schlimmer. Allein der Gedanke daran treibt mich zur Resignation. Ich stelle mir gerade vor, wie das Leben in Sibirien so sein wird, als meine Freundin sagt: „Es tut mir ja leid, Schatz, aber das ging heute morgen alles so schnell, dass ich Dich nicht anrufen konnte. Jetzt musst Du nochmal nach Hause und ein paar frische Sachen für mich und Constantin holen und den Babysitz mitbringen.“ Meinen Freunden Yeti und Bigfoot bleibt kurzzeitig das Lachen im pelzigen Hals stecken und ganz weit hinten, am anderen Ende des Tals der Hoffnungslosigkeit, blinkt ein winziges Licht. Genau, ich muss, oder nein, ich DARF noch mal nach Hause fahren. Allein! Die Selbstmordvariante löst sich im Wohlgefallen auf und die lebenslange Verbannung nach Sibirien beschränkt sich möglicherweise auf drei Wochen Exil in Herne- Süd.
Okay“, sage ich und versuche dabei, nicht allzu glücklich zu klingen, um keinen Verdacht erregen. „Ich hätte Euch zwar gerne sofort mitgenommen, aber Du hast recht. Ihr braucht frische Klamotten und ohne Babyschale geht nix.“ Beinahe kann ich meine pelzigen Begleiter sehen, wie sie staunend ihre riesigen Mäuler aufreißen ob dieser glattzüngigen Lüge.
Rasch drücke ich meiner Freundin einen Kuss auf die Lippen, streichle sacht über den Kopf meines vier Tage alten Sohnes und mache mich auf den Weg.
Daheim angekommen überlege ich kurz, ob es sinnvoller wäre direkt eine Umzugsfirma anzurufen anstatt erst den von vornherein zum Scheitern verurteilten Versuch des Aufräumens zu unternehmen. In Anbetracht der knapp bemessenen Zeit entscheide ich mich doch lieber für ein hektisches Aufräumen und reiße als allererstes die großen Dachfenster im Wohnzimmer auf. Kurzerhand schnappe ich mir einige der 120 Liter Säcke, die noch von der letzten Gartenparty übrig geblieben sind. 120 Liter Müll? Ufern solche Feiern eigentlich immer in Sauforgien aus? Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht, weil ich mich bei besten Willen nicht mehr an die besagte Gartenparty erinnere. Mein bester Freund behauptet ja immer, wenn man sich am nächsten Morgen nicht mehr an die Party vom Vorabend erinnert muss sie gut gewesen sein. Na gut, wenn er das sagt. Sei es drum.
Geschickt bugsiere ich die herumliegenden Schnapsflaschen in die Säcke. Die Ascheberge, an denen Reinhold Messner seine Freude hätte das kann ich Ihnen versichern, sind ebenso schnell entsorgt. Die schier unvorstellbare Menge an leeren Bierflaschen stellt mich jedoch vor ein Problem. Mich beschleicht der Gedanke, dass die Menge an Glas, die sich in meinem Wohnzimmer stapelt, den Jahresbedarf einer mittelständischen Glasbläserei abdecken könnte. Ja, Sie haben Recht, ich gebe wieder meinem Hang zur Übertreibung nach. Trotzdem bleibt die Frage: Was macht man mit einer wirklich großen Menge leerer Bierflaschen? Yeti und Bigfoot, die mittlerweile aufgehört haben ihre riesigen Hände auf meinen Kopf zu schlagen, glucksen vergnügt vor sich hin. Zu meinem Glück fangen sie nicht wieder an „Prooooobleeeeem“ zu brüllen. Nachdem ich die Flaschen in den Kästen verstaut habe, sieht das Wohnzimmer fast wieder so aus, als könne man darin wohnen, sofern man gern auf Bierkästen hockt. Mein armes, gemartertes Hirn schlägt schmerzhafte Purzelbäume bei dem Versuch eine Lösung zu finden. Vor der Geburt meines Sohnes hätte ich die Kästen einfach im Arbeitszimmer gestapelt. Da das Arbeitszimmer (keine Ahnung, warum wir immer Arbeitszimmer sagen, es hat nie jemand dort gearbeitet; Abstellkammer wäre passender) nun aber das Kinderzimmer ist und ein Bierkastenstapel neben dem Babybettchen sowas von deplatziert wirkt, entscheide ich mich für die Kellervariante. Haben Sie schon mal versucht mit einem Kater von der Größe eines Königstigers dutzende von leeren Bierkästen aus einer Dachgeschosswohnung eine wirklich enge Treppe hinunter zu buckeln, um sie anschließend in einen winzigen Keller zu stopfen? Glauben Sie mir, das ist nicht wirklich eine Arbeit, die Freude bereitet. Aber angesichts einer drohenden Verbannung bewege ich mich so anmutig wie Bud Spencer und schaffe es tatsächlich, alle Kästen heil in den Katakomben unseres Dreifamilienhauses unterzubringen. Mittlerweile bin ich völlig durchgeschwitzt und rieche wie der auf meinem Rücken hockende Kater an seinen Kronjuwelen. Da die Wohnung jetzt aber zumindest halbwegs bewohnbar wirkt ist mir das egal; ich greife zum Fensterputzmittel, schrubbe den Glastisch sauber, wische in Rekordgeschwindigkeit den bierfleckigen Parkettboden und renne anschließend wie ein wild gewordener Figaro mit einer Magnumflasche Raumspray durch die Wohnung.
Geschafft! Okay, zumindest fast, da ja immer noch die Säcke mit den leeren Schnapsflaschen herumliegen. Die jetzt noch zum Glascontainer zu bringen ist zeitmäßig nicht mehr machbar. Ich muss noch schnell duschen, mich umziehen, für meine Freundin und meinen Sohn frische Klamotten raus suchen und dann ins Krankenhaus fahren. Also entscheide ich mich für eine, sagen wir mal, unorthodoxe Lösung: Ich spiele den Vergesslichen. Das gibt mir die Möglichkeit, so zu tun, als würde ich nochmal nach Hause fahren. Tatsächlich liegen die Flaschen schon im Kofferraum und ich kann sie in Ruhe entsorgen. Soweit mein Plan. Ich gebe zu, dass ich im Pläne schmieden nicht ganz so gut bin, weil ich nicht an alle Eventualitäten denke. Das ist auch der Grund, weswegen ich kein Schach spiele. Aber das ist ein anderes Thema.
Kaum bin ich wieder im Krankenhaus angekommen und habe eine oscarreife Vorstellung hingelegt und meiner Freundin gebeichtet, dass ich angeblich ihre Lieblingsbluse vergessen hätte, als sie antwortet: „Naja, das ist zwar jetzt doof, aber wir sitzen ja im Auto. Ich lass jetzt einfach das Pyjamaoberteil an und zieh nur die Jacke drüber.“ Yeti und Bigfoot brüllen sofort los vor Lachen, hämmern mir wieder rhythmisch auf den Kopf und kreischen: „Prooooobleeeeem“. Warte mal Schatz“, stammele ich. „Du kannst doch nicht im Pyjama fahren. Was ist wenn wir unterwegs anhalten müssen, oder die Polizei kontrolliert uns. Du willst Dich doch nicht wirklich so blamieren?“ Oh, ich weiß schon. An die Eitelkeit einer Frau zu appellieren ist gemein und Sie haben Recht, wenn Sie mir jetzt vorwerfen, dass Mann das niemals tun darf. In einer anderen Situation hätte ich Ihnen unumwunden zugestimmt, aber hier und jetzt? No way! Bitte verstehen Sie mich, hier geht es um den Familienfrieden im Allgemeinen und um meine drohende Verbannung nach Herne-Süd im Speziellen. Na gut, Du hast Recht“ sagt meine Freundin und macht dabei ein Gesicht, als hätte sie was Saures gegessen. „Aber bitte beeile Dich, ich will endlich nach Hause. Ich frage mich sowieso, wo Du die ganze Zeit warst. Und warum hast Du Dich eigentlich nochmal umgezogen?“ Mist. Warum fällt Frauen so etwas immer auf. Mal ehrlich, wir Männer wissen nicht, was unsere Frauen anhaben, auch wenn sie direkt neben uns laufen. Und wir würden es auch nicht bemerken, wenn sie sich dreimal an einem Abend umziehen. Das ist nun mal eine Tatsache. Ich bin Manns genug, das zuzugeben. Aber Frauen fällt so etwas auf. Ist das genetisch bedingt? Keine Ahnung, ich weiß nur, dass mir jetzt in Millisekundenschnelle eine plausible Erklärung einfallen muss. Tja, ich habe mir Kaffee auf mein Hemd gekleckert.“ Okay, das ist glaubwürdig, zumindest in meine Ohren. Na das ist ja nichts neues.“ Buh, Glück gehabt, sie glaubt es Ich mach mich nochmal schnell los. Ich beeile mich auch. Versprochen.“
Die nächsten Glascontainer sind nur um die Ecke. Ich parke direkt davor, steige aus und wuchte die Säcke aus dem Kofferraum. Kaum habe ich jedoch die erste Flasche in der Hand hält hinter mir ein Polizeiauto. Ein ziemlich relaxt drein blickender Polizeibeamter stellt sich neben mich und sagt: „Ich hoffe Sie haben nicht das vor, wonach es gerade aussieht!“ Als er meinen verwirrten Blick bemerkt setzt er nach: „Heute ist Sonntag. Sonntags dürfen keine Glasflaschen entsorgt werden. Sie wissen schon, wegen der Lärmbelästigung.“ Prooooobleeeeem!“ Ach, haltet eure Klappen ihr flohverseuchten Bettvorleger!
Resigniert schließe ich die Augen und seufze zum Gott erbarmen. Na, gestern ´ne wilde Party gehabt?“ Mitfühlend schaut der Beamte mich an. Ich nicke und plötzlich beginne ich ihm meine Misere zu erzählen. Angefangen bei dem riesigen Mistvieh von Kater über die urplötzliche Entlassung meiner Freundin, die Putzaktion in meiner Wohnung, und ich lasse auch die Notlügen und die drohende Verbannung nicht aus. Ach, wissen Sie“, sagt der Polizist schmunzelnd, „So schlimm ist Herne-Süd gar nicht. Ich weiß es, ich wohne dort.“ Auf meinen fragenden Blick meint er sofort: „Nein, nein, ich wohne wirklich dort. Verbannt hätte mich meine Frau wahrscheinlich nach Castrop-Rauxel.“ Darüber müssen wir beide herzlich lachen. Der Polizist klopft mir mit einer freundschaftlichen Geste auf die Schulter und raunt mir im Verschwörerton zu: „Wenn Sie sich beeilen, habe ich nichts gesehen. So voll wie die Container sind macht es wahrscheinlich eh nicht viel Lärm. Und alles Gute für die junge Familie.“ Zutiefst dankbar nicke ihm zu, während er in seinem Auto verschwindet und abfährt.
Einige Zeit später bin ich wieder auf der Entbindungsstation und überreiche fast feierlich meiner Freundin die ersehnte Lieblingsbluse. Sie haucht mir einen Kuss auf die Wange und sagt leise: „Du bist ein Schatz. Andere Männer hätten ihre Frauen bestimmt im Pyjama fahren lassen.“
Andere Männer in meiner Situation hätten noch ganz andere Sachen gemacht, denke ich, sage aber: „Ich mache doch fast alles für Dich“ und ernte ein strahlendes Lächeln.
Die Verabschiedung von den netten Schwestern der Station ist kurz aber sehr herzlich und die Fahrt nach Hause verläuft ohne Zwischenfälle. Als wir endlich mit Baby Constantin im Arm in unserem Wohnzimmer stehen sage ich zu meiner Freundin: „Schade, dass die Dich so überraschend entlassen haben. Ich hätte Dir gerne noch einen Blumenstrauß besorgt. Ach, das ist nicht schlimm. Viel wichtiger ist, dass ich wieder zu Hause bin und ich freue mich, dass Du die Wohnung so sauber gehalten hast. Ich hätte wirklich gedacht, dass Du hier ´ne wilde Party mit Deinen Kumpels feierst.“
Gespielt entrüstet antworte ich: „Niemals. Außerdem hätte ich dazu auch keine Zeit gehabt.“
Meine Freundin streichelt mir zärtlich übers Gesicht und sagt: „Das ist schön. Wir laden unsere Freunde demnächst mal zusammen auf ein Glas Wein oder eine Flasche Bier ein, okay. Mh, okay, machen wir. Aber wirklich nur auf ein Glas oder eine Flasche. Wir sind doch jetzt Eltern und haben Verantwortung.“
Ganz weit hinten in meinem Kopf höre ich noch den Yeti und seinen Kumpel Bigfoot lachen, dann ist Ruhe. Auch der riesige Königstiger steigt langsam von meinem Rücken. In diesem Moment schwöre ich mir: Das war die letzte exzessive Party. Als junger Vater (sehen Sie mich grinsen?) bin ich allmählich zu alt für diese Art von Stress.
Obwohl, mein kleiner Bruder heiratet bald...